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Wenn Erwachsene sich ihren Eltern gegenüber ohnmächtig fühlen

Schuldgefühle, Pflichtbewusstsein, Verantwortung.... welche Kräfte sind am wirken, wenn die eigenen Eltern noch in der erwachsenen Gegenwart recht mächtig sind? Wer muss hier wen loslassen? Lies meine vollständigen Antworten auf ein Interview zu diesem Thema für das Magazin Woman.



Warum fühlen wir uns gegenüber unseren Eltern auch als Erwachsene so ohnmächtig?

Weil wir durch Bindungsliebe (im Gegensatz zu Nächstenliebe) mit unseren Eltern verbunden sind. Die Bindung, die wir ihnen gegenüber haben und auf die wir als Kind angewiesen haben, erleben wir üblicher weise als Liebe. Kinder können Ihre Eltern von klein auf „lesen“, dh sie wissen zB, wenn Körpersprache und Gesagtes nicht zusammenpassen oder was die Eltern meinen, wenn sie es auf eine bestimmte Art sagen – ohne dass sie es explizit sagen. Aus Bindungsliebe fühlen sich Kinder verpflichtet, der (unausgesprochenen) Erwartung zu entsprechen. Diese Dynamik wird beibehalten, sofern ein Sohn oder eine Tochter nicht in die Verantwortung für ihr/sein eigenes Leben geht, sich also abnabelt und unabhängig wird. Autonomie ist gleichermaßen wichtig für Menschen wie (Ver-)Bindung. Manche Eltern setzen alle Karten auf Verbindung und vernachlässigen es, die Autonomie des Kindes zu fördern. das dient eher den Eltern als den Kindern, denn sie brauchen definitiv beides!

Eltern drücken also unsere Knöpfe – oft auch unbewusst, denn sie machen es ja immer schon so – und wir „Kinder“ springen an. Das kann sich wie Ohnmacht anfühlen, wenn man nicht bewusst rangeht und Vorgangsweisen neu definiert.


Was sind Anzeichen dafür, dass man noch nicht optimal abgelöst ist?

Schuldgefühle, schlechtes Gewissen, hohes Pflichtgefühl den Eltern gegenüber, symbiotisches Verhalten oder auch persönliche Entgrenzung, Einschränkung in der potentiellen Entwicklung - weil es evtl. entgegen den Vorstellungen der Eltern wäre - also auch eingeschränkte Selbstverwirklichung, und so weiter


Sollte diese Abnabelung denn nicht in der Pubertät passieren?

Sollte es, ja. Spätestens dann


Wann ist man erwachsen? Jetzt nicht nur vom erreichten Alter her…

Wenn man in der Lage ist, für sich selbst und ggf für seine eigene, neue Gegenwartsfamilie Verantwortung zu übernehmen und die eigenen Eltern immer noch erwachsen genug sind, ihr eigenes Leben in Eigenverantwortung weiter zu leben und zu managen. Jeder auf SEINE weise – nicht so, wie die Eltern glauben, dass es für die „Kinder“ richtig wäre.


Wie würden Sie einen „erwachsenen Blick“ auf die eigenen Eltern definieren?

Erstaunlicherweise waren unsere Eltern bereits erwachsene Leute, als wir selbst überhaupt erst geboren wurden. Sie waren bis dahin in der Lage, ihr Leben zu meistern und sogar fähig, Kinder zu bekommen und großzuziehen. Die Fähigkeiten dazu, ein eigenes, selbstbestimmtes Leben zu führen, gehen nicht verloren, nur weil die Kinder erwachsen wurden. Es ist wichtig, den eigenen Eltern dieses Zutrauen zu lassen, auch wenn es manchmal schwer fällt. Verantwortung darf jeder für sich selbst tragen und zwar auf seine ganz eigene Art und Weise. Ich bin ich und du bist du. Du auf deine Weise, ich auf meine. Und es ist wichtig, den Eltern ihr „Schicksal“ keinesfalls abzunehmen. Jeder muss sein Schicksal selber tragen, das kann und soll uns niemand abnehmen, denn es hätte auch eine Entwürdigung in sich, wenn man sich sozusagen über die eigenen Eltern stellt und es besser weiß oder kann.

zum Beitrag in der Woman

Gibt es bestimmte Menschen, die eher dazu tendieren, sich nicht ablösen zu wollen?

Jene, die von klein auf davon abgehalten wurden und/oder sich generell gerne bedienen lassen. Es gibt nun mal Menschen, die sind lieber Passagier als Pilot im eigenen Leben.


Was sollte sich lösen, was kann bleiben – in der Beziehung zu den Eltern?

Liebe darf immer bleiben! Also wohlwollendes, freundliches Aufeinander schauen.

Alles andere darf gehen. Wir müssen nichts für sie tun, nichts wie sie und auch nicht statt ihnen – und wir dürfen einander trotzdem lieben. Eltern, die unter Androhung von Liebesentzug von ihren Kindern etwas verlangen, sind hoch toxisch und sollten dringend gemieden werden. Solche Kinder übrigens auch.


Angenommen, ich telefoniere jeden Tag mit meinen Eltern – sie sind wichtige Bezugspersonen – ist das dann „nicht abgelöst“ – wo genau verläuft hier die Grenze zwischen guter Beziehung und eher problematisch?

Klingt symbiotisch. Die Symbiose löst sich üblicherweise nach Absolvierung des ersten Lebensjahres Stück für Stück immer noch weiter. Ein gesunder Teenager ist motoirisch und geistig bereits dazu in der Lage, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Freundliche Unterstützung vom Elternhaus in Form einer wohlwollenden Beziehung ist von da an ein Leben lang etwas Wunderbares. Üblicherweise interessiert sich ein Mensch von da weg auch aus eigenem Antrieb sehr für andere Menschen und Themen außerhalb des Familienverbundes. Das ist ganz etwas Gesundes, die „Lenkung“ durch Eltern kann jetzt nur noch über authentisches Interesse erfolgen, das als gute Beziehung erlebt wird. Autoritäres Verhalten schadet ab jetzt der weiteren Beziehung eher.

Wenn sie als erwachsener Mensch tatsächlich noch jeden Tag mit ihren Eltern telefonieren, würde ich empfehlen, das eigene Leben noch mal genau unter die Lupe zu nehmen hinsichtlich dessen, was da sonst noch von Bedeutung ist…


Was mache ich, wenn sich meine Eltern nicht lösen wollen, ich aber schon?

Es ihnen immer wieder sagen. „Ich bin schon groß. Danke für deine Anteilnahme, ich kümmere mich jetzt selbst darum. Ich wende mich gerne an dich, wenn ich deinen Rat hören will.“ Sowas in der Art. Es ist Liebe, allerdings eine übertriebene, ungesunde, vom eigenen Leben ablenkende Form von Liebe, die allen Beteiligten nicht gut tut. Jeder darf und muss sein Leben selbst mit Leben füllen. Kinder sind nicht dafür zuständig, die eigene Leere zu füllen.


Wie kann ich als Elternteil meinem Kind beim Abnabeln helfen?

Von Klein auf Zutrauen schenken und altersgerechte Aufgaben überantworten, an denen das Kind wachsen kann! Manchmal müssen wir unseren Kindern auch etwas „zumuten“, wenn sie nicht von alleine ihre Komfortzone verlassen wollen. Leider geht persönliches Wachstum nicht ohne diese Komfortzonenerweiterung.

"Ich glaube an dich", soll der Tenor sein. Und manchmal müssen wir auch ein wenig schubsen, vor allem, wenn die Lust fehlt. Dann dürfen wir auch direkt sagen: „dann mach es ohne Lust“. Damit das Kind lernt auch dann etwas zu tun, Verantwortung zu übernehmen, wenn es keinen Bock darauf hat.



Und was mache ich, wenn ich noch nicht bereit bin, mein Kind loszulassen? Viele Eltern tun sich beim Einsetzen der Pubertät ja sehr schwer damit…

Dann wirst du Leiden, denn das Kind wird sich normalerweise wehren, und kämpfen um seine Autonomie.

Sag dir, es ist zu euer aller Bestem, wenn du anerkennst, dass dein Kind im wahrsten Sinne des Wortes jeden Tag älter und auch erwachsener wird – ob du willst oder nicht. Ich persönlich halte es für sehr selbstsüchtig und unreif, sich diesem natürlichen Prozess entgegenzustellen. Wir wollen doch das Beste für unser Kinder, oder? Das Leben darf durch sie weitergehen, also dann mögen sie es doch bitte auch angehen dürfen.


Wie kann sich eine fehlende Ablösung auf Partnerschaften auswirken?

Katastrophal, aber nicht erst wenn die Kids flügge werden. Wenn das wirklich Thema in einer Familie ist, dann traue ich mich zu orakeln, dass Mutter und Vater auch längst wie Brüderchen und Schwesterchen leben…. Kinder gehören nicht in den Fokus, sondern zuerst muss jeder Erwachsene auf sich selbst gut schauen, dann schauen beide Partner auf die gemeinsame Beziehung und dann kommen erst die Kinder dran. Diese Reihenfolge empfehle ich, und im ersten Lebensjahr gilt ein Säugling als symbiotisch mit der Mutter verwachsen. Da kümmert sie sich am besten um sich, als wäre das Baby noch im Bauch und ansonsten wie eine Einheit. Ich hoffe, das habe ich einigermaßen verständlich ausgedrückt?


Linda Syllaba, Autorin und Lifecoach

Professionelle Begleitung durch stürmische Zeiten

In Partnerschaft, Familie und Beruf



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